Unter dem Titel “Futteraggression und ein berühmter Trainer” analysiert der Aggressionsexperte Jim Crosby in einem Blogartikel eine aktuell im Internet rege diskutierte Sequenz aus einer Episode “Dogwhisperer with Cesar Millan”. Viel Anlass zur Aufregung bietet ein Youtube-Video, in dem der bekannte amerikanische TV-Hundetrainer Cesar Millan von dem weiblichen Labrador Holly, der Aggression im Kontext mit Futter zeigt, gebissen wird.
Der Aggressionsexperte Jim Crosby hat sich die Mühe gemacht, das Video genau zu analysieren. Der Originaltext sei jedem wärmstens empfohlen, der der englischen Sprache mächtig ist, für alle anderen habe ich mir die Mühe einer Übersetzung gemacht. Zunächst geht Crosby darauf ein, dass man als Trainer in der Situation zwar nicht immer alles wahrnehmen kann, aber sehr wohl die fundamentalen Ausdruckssignale und Körperhaltung des Hundes deuten können sollte. Crosby hebt hervor, dass der berühmte Trainer, den er niemals namentlich nennt, keinerlei Sicherheitskleidung oder -handschuhe trägt. Diese könnten im Fall eines Bisses, der möglicherweise durch einen Fehler des Trainers entsteht, dem Hund in manchen amerikanischen Staaten das Leben retten, da dieser eventuell nach einem Beschädigungsbiss eingeschläfert werden müsse.
Bereits in der ersten Sekunde des Videos zeigt der Hund ein Beschwichtigungssignal in Form von Blick und Kopf abwenden, das der Trainer jedoch nicht als Submissionssignal interpretiert.
In Sekunde 17 schnappt der Hund warnend und ohne Körperkontakt in die Luft, als sich der Trainer frontal, den Hund mit dem Blick fixierend, über ihn beugt. Der Hund zeigt Beisshemmung und Zurückhaltung.
In Sekunde 18 berührt der Trainer mit seiner rechten Hand die linke Nackenseite des Hundes. Der Hund bewegt sich nach hinten, bleckt die Zähne und knurrt, und warnt somit vor seinem Unwohlsein und dem Verlangen danach, der Trainer möge zurückweichen. Der Trainer fordert den Hund durch seine Körpersprache direkt heraus und drängt ihn von der Futterschüssel ab. Der Hund schnappt in Sekunde 22 nochmals in die Luft und äußert ein Warnknurren. Dem Hund ist zwar der Rückzug versperrt, er zeigt jedoch Zurückhaltung, in dem er nicht nach vorne geht sondern in Sekunden 23 und 24 Beschwichtigungsschlecken zeigt, sein Maul schließt, sieben weitere Male Beschwichtigungslecken zeigt und den Blick in Sekunde 28 abwendet. In Sekunde 33 knurrt sie, zeigt sechs weitere Male Beschwichtigungsschlecken und wendet mehrmals den Blick ab während der Trainer seine konfrontative Körperhaltung beibehält und sie so unter Nichtberücksichtigung ihrer Beschwichtigungssignale weiter herausfordert. In Sekunde 41 blickt sie dem Trainer einmal in die Augen, wendet den Blick sofort ab und sucht nach einer Fluchtmöglichkeit. Der Trainer behält seine herausfordernde Körperhaltung bei.
In Sekunde 47 legt sich der Hund freiwillig hin, gähnt und versucht, sich auszuklinken. Der Trainer dreht sich Richtung Kamera und spricht mit den Zuschauern, der Hund beruhigt sich währenddessen sichtbar und sieht bis 01:10 entspannt aus.
Bei 01:10 greift der Trainer dem Hund über die Schnauze, was eine dominante Geste darstellt. Der Hund warnt in 01:12 mit einem Luftschnappen und gebleckten Zähnen. In Folge beißt sie rasch in die Hand, mit der der Trainer ihr davor einen Schlag versetzt hatte. Der Trainer kickt den Hund und der Hund zieht sich in Richtung eines Kameramanns zurück, richtet sich jedoch niemals gegen den Kameramann um. Während sie sich zurückzieht, folgt ihr der Trainer, sie knurrt, zeigt Zähne und “harte” Augen. Als der Hund mit dem Rücken gegen den Zaun steht, hat er keine Ausweichmöglichkeit mehr.
Bei 01:20 stellt der Trainer sein Fortschreiten unmittelbar vor dem Hund ein, der gegen den Zaun gedrängt ist. Der Hund entspannt sein Gesicht, schließt ihr Maul, zeigt mehrmals Beschwichtigungslecken und wendet den Blick vom Trainer ab, der sie noch immer fixiert. Der Hund ist noch immer angespannt, verfolgt oder beteiligt den Trainer jedoch in keinster Weise. In 01:25 ist klar sichtbar, dass der Hund gegen den Zaun gedrängt ist.
Der Hund hält seine Position und beruhigt sich, zeigt weiche Augen, entspannte Schnauze, mehrmalige Blickabwendung (01:43) und zeigt keinerlei aggressive Signale in Richtung des Trainers, auch als dieser direkt über ihr steht und seine Hand wäscht. Der Hund hat nach wie vor keine Ausweichmöglichkeit (01:53).
Bei 01:58 sieht man einen weiteres Beschwichtigungslecken, weiche Augen, geschlossene Schnauze. Bei 02:00 vermerkt eine Notiz am Bildschirm, dass 3 Minuten und 6 Sekunden vergangen wären in denen der Hund gegen den Zaun gedrängt steht. Bei 02:03 sieht man dass der Hund seinen Körper weg vom Trainer richtet und eine beschwichtigende Kurve damit bildet um die Begegnung zu entschärfen. Der Hund blinzelt, wendet seinen Blick ab, was Beschwichtigung und Submission anzeigt, als der Kameramann bei 02:06 feststellt, dass der Hund immer noch nicht submissiv sei. Der Trainer bestätigt dies, während der Hund den Kopf nach unten hin abwendet. Bei 02:33 steht der Hund noch immer still mit seinem Körper vom Trainer abgewendet, Blick abgewendet, Ohren nach unten, gegen den Zaun gedrängt. Der Hund hat eine entspannte Schnauze und hält eine nonkonfrontative Körperhaltung aufrecht bis zur Markierung die bei 02:42 eine verstrichene Zeit von 5 Minuten und vier Sekunden anzeigt. Der Trainer dreht sich um und geht weg, seinen Rücken dem Hund zugedreht. Der Hund macht keinerlei Versuch dem Trainer zu folgen oder ihn zu attackieren sondern bleibt gegen den Zaun gedrängt.
Beachtenswert ist, dass Crosby Millan im Gegensatz zu zahlreichen Internetusern in keinster Weise direkt attackiert. Crosby schließt mit den Worten, der Sinn von Beurteilung und Behandlung sei es nicht, klare Signale zu ignorieren und einen Hund somit dazu zu drängen, einen zu beißen: In seiner Welt sei das Ziel einer Beurteilung, die Behandlung zu dirigieren und Probleme und Trigger zu diagnostizieren ohne jemandem zu schaden. Dies inkludiere einen Hund zum Versagen aufzusetzen um zu beweisen, dass man der härteste am Block sei.
Crosbys Blogeintrag liefert natürlich zum einen gute Argumente in Diskussionen mit Millan-Anhängern in Hinblick auf Millans Umgang mit Hunden und sein offensichtlich mangelhaftes Verständnis ihrer Körpersprache. Besonders beeindruckend fand ich jedoch seine Sachlichkeit in Zeiten, in denen so viele mit positiver Bestärkung arbeitende Trainer das Bedürfnis verspüren, sich lautstark und blumig von Millans Methoden abzugrenzen. Man möge mich nicht falsch verstehen, ich erachte sowohl die Abgrenzung von als auch die Aufklärung über mögliche Konsequenzen strafbasierter Trainingsmethoden und instrumenteller Bedrohung von Hunden als absolut notwendig, sie sollte meiner Meinung nach nur wesentlich nüchterner stattfinden – immerhin liefert uns die Wissenschaft genug Argumente.