Anmerkungen zum Krone-Interview mit Show-Star Cesar Millan

Unter dem Titel: „Cesar Millan: Ich werde oft missinterpretiert“ erschien am 22. Mai ein Interview mit der umstrittenen TV-Persönlichkeit Cesar Millan. Im Fernsehen trainiert er Hunde – internationale Fachkreise sprechen sich jedoch vehement gegen in Millans Serien kommunizierte Fehlinformationen und über die Risiken seiner Trainingsmethoden aus. Dogs in the City sucht die Ursachen für Missinterpretationen in Krone-Tierecke-Lady Maggie Entenfellners Interview mit dem selbsternannten „Hundetrainer“ Cesar Millan.

Im Einleitungstext des Krone-Interviews wird erwähnt, dass die umstrittene TV-Persönlichkeit im September für zwei „Vorträge“ nach Wien kommt. Dies ist missverständlich formuliert – ausführliche Recherchen ergaben, dass die Shows mit Millan als Unterhaltungsveranstaltungen angemeldet wurden – vergleichbar mit Martin Rütters Comedy-Tour, bloß mit Synchron-Dolmetsch, besserer Marketing-Maschinerie und womöglich einer Prise Tierschutzrelevanz.

Kontrastprogramm

Wie bereits angesprochen, steht eine gewaltige Marketing-Maschinerie hinter Cesar Millan. Bücher, DVDs, verschiedenste Hilfsmittel und ein Hochglanzmagazin vervollständigen die multimediale Präsenz des mexikanischen TV-Stars, den Entenfellner als erstes fragte, was er zu der Kritik gegen ihn zu sagen hat.

Hier wird Millan die erste Gelegenheit geboten, sein gut einstudiertes PR-Geschichterl von ihm als weltgrößtem Hundefreund darzubieten. Millan antwortet also, es würde die Wahrheit verdreht, „eine bestimmte Gruppe von Leuten“ hätte sich „auf drei Folgen fixiert“, Recherche zu Anfang und Ende der Geschichten würden jedoch nicht betrieben.

Einschub: Anmerkungen der Autorin: Tatsächlich stellt es sich als sehr schwierig heraus, Vorher- oder Nachher-Infos über Millans kanide KlientInnen zu bekommen. „Eine bestimmte Gruppe von Leuten“ behauptet, es wäre auf strikte Verschwiegenheitsklauseln in mit Millan abgeschlossenen Verträgen zurückzuführen. Eine spannende Frage wäre hier natürlich gewesen, warum er solche Klauseln nötig hat, wenn seine Methoden keine Risiken bergen. Beispielsweise gibt es auch keine Informationen zum Ausgang einer Anzeige, die der Hundeflüsterer-Produzent Flody Suarez 2006 gegen Millan erstattete, weil sein Labrador in Millans Dog Psychology Center schwer verletzt wurde. Suarez ist kein Einzelfall, 2012 drangen wieder Nachrichten von einem unter Millans Obhut verletzten Hund nach außen.

In einer der von Millan erwähnten drei Folgen wird der Husky Shadow „therapiert“. Der international renommierte Verhaltensforscher Marc Bekoff schrieb in dem Artikel „Musste Cesar Millan den Husky aufhängen“ auf Psychology Today im April 2012 über diese Folge. Eineinhalb Jahre später, im Oktober 2013 erschien „Shadow und Cesar Millan: Ein Update über den strangulierten Husky“ auf derselben Seite. Da hat sich ein Universitätsprofessor und bekannter Forscher die Mühe gemacht, nachzurecherchieren, was mit dem Husky passiert ist. Aber lesen Sie selbst nach.

Millan fährt fort, dass die meisten Hunde bereits aggressiv waren und er eben das Leben eines Hundes retten muss. Ziehen wir wieder das Beispiel Shadow heran – es ist bekannt, dass Shadow stundenlang gereizt wurde, um aufregendes Filmmaterial zu erhalten. Und auch hier handelt es sich anscheinend nicht um einen Einzelfall.

Der Aggressions-Experte Jim Crosby widmete sich in einem Blogartikel einer weiteren der drei Folgen, auf die sich eine bestimmte Gruppe Leute fixiert – der Fall mit der ressourcenverteidigenden Holly. Crosby weist explizit darauf hin, dass „gefährliche“ Hunde in den USA oft mit dem Leben für Fehlverhalten bezahlen müssen. Dessen bedient sich auch Millan, im Krone-Interview weist er darauf hin, er würde zahlreichen Hunden das Leben retten. Indem er jedoch derartig konfrontativ mit solchen Hunden arbeitet, setzt er laut Crosby deren Leben aufs Spiel. Kein Wunder, immerhin fallen Millans Serien in das Genre des „Affektfernsehens“, das ganz bewusst Zuschauer-Reaktionen provoziert.

Millan stellt also ganz richtig fest, dass es zu einer Missinterpretation dessen kommt, was er „für Hunde“ tut: Gutwillige ZuschauerInnen und LeserInnen glauben, dass Millan  als „letzte Hoffnung“ dieser Hunde rüder mit ihnen umgehen muss. Dafür ein herzliches Dankeschön, Frau Entenfellner. Genau dieser Umgang mit den Hunden ist jedoch, was internationale ExpertInnen ihm vorwerfen.

Instinkt vs. Ausbildung

Entenfellners zweite Frage ist, ob Millan gut findet, dass er sich selbst alles beigebracht hat, immerhin sollen sich HundetrainerInnen ja fortbilden (was hat man hier für eine Antwort erwartet? – “Nein, ich find scheisse, Millionen zu verdienen ohne nur einen Funken Fachwissen anzuwenden?”). Auch hier ist die Frage wieder so formuliert, dass Millan seine üblichen Antworten zum Besten geben kann. Er erweckt den Eindruck dadurch, dass Hunde wie Bücher für ihn seien, würde er sich ja ohnehin ständig fortbilden. Millan findet es „nicht fair, dass manche Leute behaupten, dass eine abgeschlossene Ausbildung so wichtig ist.“

Die Frage ist, ob Leute wie Bundesminister Alois Stöger (der mit der „56. Verordnung des BMG hinsichtlich näherer Bestimmungen über die tierschutzkonforme Ausbildung von Hunden“ das Bundestierschutzgesetz novellierte) und die 60 tierschutzqualifizierten TrainerInnen Österreichs eine Mindest-Ausbildungsvoraussetzung ebenfalls als „unfair“ bezeichnen würden.

Noch ein bisserl Promo gefällig?

Entenfellners dritte Frage, ob sich Millan als bester Hundetrainer der Welt bezeichne, etabliert die vermeintliche Bescheidenheit des Welt-Stars von nebenan. In der vierten Frage wird urgiert, wie Millans Ausbildungsmethode funktioniert und wie rasch Trainingserfolge zu erwarten sind. Eine nette Frage, die Millan die Gelegenheit gibt, auch mal ein paar nicht ganz unrichtige, sehr generell formulierte Dinge von sich zu geben – dass Verhaltensänderung auch beim Menschen Zeit benötigt und dass viele Missverständnisse hündischen Verhaltens bestehen. Abschließend erwähnt er auch endlich die allseits erwartete „richtige Energie“, die aber laut ihm die meisten nicht umsetzen können.

Eine „bestimmte Gruppe Leute“ behauptet ja, dass an diesem Energie-Ding wenig dran ist, dass das eine pseudowissenschaftliche, hochinterpretative Erklärung ist, die sich nach viel anhört, aber wenig Hilfestellung bietet – und dass Millans eigentliches Talent darin liegt, mit gutem Timing zu strafen.

Spannend auch, was Millan als Antwort zur fünften Frage gibt – da spricht er davon, man müsse sich das Vertrauen der Tiere erst verdienen. Leider hakte Entenfellner hier nicht nach, wie er dies durch den Einsatz aversiver Methoden bewerkstelligt, die nachweislich vertrauensverringernd wirken.

Vergeben und Vergessen

Entenfellners sechste Frage und Millans Antwort darauf erwecken bei mir den Eindruck, man könne den Hund schon mal bedenkenlos ein wenig strangulieren, weil es für Hunde sehr leicht sei, loszulassen. Tatsächlich kann es beim aversiven Training zur Konditionierung einer Angstkomponente kommen. HundetrainerInnen, die außer Hunden auch in dem ein oder anderen Buch lesen, wissen, dass Angst sehr schnell generalisiert wird – also nicht so schnell vergessen, sondern tendenziell eher auf andere Situationen übertragen.

Als nächstes fragt Entenfellner nach Millans Dog Center in den USA, nicht jedoch nach den Hunden, die dort zu Schaden kamen und wie es jenen Hunden inzwischen geht. Auch hier bringt Millan wieder ein bisschen Eigenwerbung unter – im Gegensatz zu amerikanischen Hilfsorganisationen schafft er es angeblich ja, Hunde an passende Besitzer zu vermitteln.  Daraufhin spricht Maggie sich und ihrer Tierecke ein kleines Eigenlob aus, Millan lacht und alles ist gut.

Nachdem morgen der zweite Teil des Millan-Interviews erscheint, bin ich schon gespannt, ob ihm vielleicht doch noch ein paar härtere Fragen gestellt wurden. Ich hätte neben den bereits erwähnten noch ein paar zur freien Entnahme im Angebot:

In England gab es 2009 und 2013 massiven Widerstand gegen ähnliche Veranstaltungen mit Ihnen. Dort wurden Ihre Shows sogar relativ kurzfristig abgesagt. Auch im deutschen Raum sprechen sich etliche Organsationen gegen Ihre Methoden aus. Was möchten Sie Leuten sagen, die befürchten, Sie würden bei Ihren Auftritten in Österreich gegen das heimische Tierschutzgesetz verstoßen?

Ihr Landsmann Nicholas Dodman warf ihnen schon 2006 vor, Hundetraining um 20 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt zu haben. Wie viel Zeit verbringen Sie damit, sich über moderne Trainingsmethoden und deren Effektivität zu informieren?

Österreich hat ein sehr fortschrittliches Tierschutzgesetz und besonders hohe Anforderungen an Hundetraining. Wären Sie bereit, sich von einem unserer tierschutzqualifizierten Hundetrainer zeigen zu lassen, wie hierzulande gearbeitet wird?

Und weil man immer aufhören soll, wenn’s am Schönsten ist, lass ich euch noch ein tatsächlich kritisches Interview mit Millan da:

 

Update 23. Mai 2014, 12:20 Uhr:

Ich möchte gerne darauf hinweisen, dass zumindest Marc Bekoffs erster Artikel zu Shadow auch in dem österreichischen Magazin “Wuff erschien: Klick.

Danke für das überwältigende positive Feedback!

Update Februar 2016:

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