Anmerkungen zum Krone-Interview mit Cesar Millan Teil 2

Heute erschien unter dem Titel „Cesar Millan: Ich denke nicht nach, ich helfe“ der zweite Teil des Millan-Interviews von Tierecke-Lady Maggie Entenfellner. Auch hierzu gibt einige kritische, jedoch auch lobende Anmerkungen, die anspruchsvollen Medien-KonsumentInnen nicht vorenthalten bleiben sollen.

Der zweite Teil des Krone-Interviews mit TV-Star Cesar Millan beginnt mit einem starken Einstieg: „In Ihrer Sendung schüchtern Sie die Hunde oft ein. Was hat der Besitzer von einem völlig verunsicherten Hund?“ Als Antwort warnt Millan Entenfellner, sie möge mit ihren Worten vorsichtig sein, einschüchtern sei nicht das, was er tut. Böse Zungen mögen vielleicht behaupten, dass die Warnung durchaus als Einschüchterung und Drohung eines Interview-Abbruchs zu verstehen wäre und somit ganz Millans üblicher Grundhaltung entspricht.

Das Ding mit der Führung

Die tapfere Tierecke-Lady blieb mutig und sprach „einer bestimmten Gruppe von Personen“ aus der Seele als sie meinte, es sähe aber ganz danach aus. Bravo, Maggie! Millan, dessen gelegentliche Frauenfeindlichkeit bekannt ist, erklärt Entenfellner daraufhin, das wäre nur ihre Interpretation – eine Fehlinterpretation im Übrigen – und verdeutlicht ihr sodann den Unterschied zwischen Führung und Energie.

Hierzu möchte ich kurz auf folgendes Zitat des amerikanischen Journalisten Mark Derr aus der New York Times verweisen: „Mr. Millan leitet seine Philosophie von einer grob vereinfachten Vorstellung vom ‚natürlichen‘ Hunderudel ab, kontrolliert von einem dominanten Alphatier (normalerweise männlich). In seinem Schema ist der Mensch der Führer, was zu dem Schluss führt: Alle Verhaltensprobleme bei Hunden rühren von einem Versagen der Dominanz des Besitzers bzw. der Besitzer her. (Nach dieser Logik ist es praktischerweise der Fehler des Besitzers, wenn Mr. Millans Eingreifen keine dauerhaften Ergebnisse bringt.) In seiner Welt sind Frauen die schlimmsten Missetäter. In dem DVD-Set der ersten Staffel von ‚Dog Whisperer‘ erklärt Mr. Millan, die Frau sei ‚die einzige Spezies, die anders als der Rest tickt.‘ Und ‚eine Frau setzt Zuneigung stets vor Diszplin‘, wie er sagt. ‚Der Mann wendet erst Disziplin an und bringt danach Zuneigung auf; also sind wir eher psychologisch als emotional. Tiere folgen nicht liebenswerten, sondern dominanten Anführern.‘“

Im Übrigen konnte zwischenzeitlich nachgewiesen werden, dass Hunde nicht dem dominantesten, sondern dem freundlichsten „Hundeführer“ folgen. Ich bemühe nochmals ein Derr-Zitat: „Mr. Millans Sexismus ist lächerlich; seine Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung sind überholt.“

Kompliment fürs Dranbleiben

In meinem gestrigen Artikel habe ich kritisiert, dass Entenfellner nicht nachhakte. Deshalb muss ich ihr für den zweiten Teil des Interviews durchaus ein Kompliment aussprechen, sie ist dran geblieben.

Die nächste Frage nach Millans Methoden ist gut formuliert und macht durchaus ein wenig Druck. Millans Antwort ist leider wieder penibel einstudiert. Er bezeichnet sich als Profi mit hohem Wissenslevel, Geschwindigkeit und Strategie. Ein besonderes Schmankerl für mich war, dass Millan immerhin zugab, nicht viel nachzudenken. Durch die fehlende Reflektion lässt sich so manche seiner professionellen Fehleinschätzungen sehr gut erklären.

Millan versucht, jegliche Kritik auf Unstimmigkeiten unter HundetrainerInnen zurück zu führen. Aber auch EthologInnen, VerhaltensmedizinerInnen, JournalistInnen, HundehalterInnen und zahlreiche Tierschutz-Organisationen sprechen sich vehement gegen seine Ansätze und Methoden aus. Es geht hier also nicht um „Futterneid“, sondern um eine internationale Besorgnis um das Wohlbefinden von derartig trainierten Hunden, deren HalterInnen und auch Dritten.

Respekt, Entspannung und der Hund als reaktives Raubtier

Auch Entenfellners vierte Frage ist in Ordnung. Millans Antwort kann ich jedoch nicht unkommentiert lassen. Er behauptet, durch eine Alpharolle Respekt zu ernten und mit einer anschließenden Massage Entspannung zu erreichen. Ich stell mir grad vor, wie ein wildfremder Mann  mit anderen Vorstellungen von angemessenem Frauenverhalten zu mir kommt und mich mal kurz auf den Rücken legt und auf den Boden drückt, um mir zu helfen. Ich wäre perplex, ich wäre verstört, ich hätte Angst, ich wäre wütend, ich wäre frustriert und ich würde mich ganz schön hilflos fühlen. Respekt im Sinne einer freudigen Kooperation würde er sich damit nicht verschaffen. Eher wahrscheinlich ist, dass ich künftig einen Zahn zulege, wenn sich mir fremde Männer nähern. Aber gut, der Mann verschafft sich Respekt und verblüfft wie ich in diesem Moment bin, verharre ich starr in Position bis er plötzlich beginnt, mich zu massieren. Wird mich diese Zwangsbeglückung entspannen oder weiter verstören?

Woher kommt die Annahme, man würde Kooperation über Unterdrückung erreichen können? Wieso scheint es so vielen gerechtfertigt, dass ein Hund sich alles gefallen lassen muss? Millan redet sich darauf aus, dass man als Zuschauer ja nicht wie er live vor Ort sei und daher leichter kritisieren kann. Das stimmt schon, davor ist auch eine Victoria Stilwell nicht gefeit.

Trotzdem: Ich muss ja zum Beispiel auch keine Mutter sein, um einschätzen zu können, dass man einem Kleinkind nicht beibringt, vorm Straße überqueren nach links und rechts zu schauen, in dem man es an die Kante der Fahrbahn stellt und immer an seinem kleinen pinken Ärmchen zurückreißt, wenn es einen Schritt nach vorne macht. Hört sich absurd an, ist aber im übertragenen Sinne, wie der amerikanische Autodidakt Hunde trainiert. Anstatt ihnen erwünschte Ersatzhandlungen beizubringen und diese zu belohnen, wartet Millan meist auf Fehltritte der Hunde, um diese mit einer flinken, unreflektierten Instinkthandlung „zu korrigieren“. Aber die gute Nachricht: Es gibt genug fachkundige TrainerInnen im In- und Ausland, die mit schwierigen Hunden arbeiten und großartige, nachhaltige Erfolge erzielen obwohl sie auf Unterwerfung, ständige Korrekturen und Zwangs-„Entspannung“ verzichten.

Die Frage, ob er nie Angst vor einem Hund hätte, beantwortet Millan damit, dass Hunde nur als Reaktion ihres Gehirnes beißen würden. Reagiert das Gehirn womöglich auf – aus Hundesicht – ungerechtfertigte bzw. unverständliche Bedrängnis und Übergriffe? Millan erweckt den Eindruck, dass Bissattacken vollkommen unkalkulierbar wären – tatsächlich gibt es im Vorfeld immer zumindest feinste Anzeichen, die man lesen können sollte. Dem Hundeleben zuliebe.

Verdrehung der Tatsachen

Die Frage danach, ob Millan keine Bedenken hätte, dass durch Nachahmung seiner Methoden Tierleid entstehen könnte, bleibt unbeantwortet. Stattdessen spricht er von einer Verdrehung der Tatsachen und dass man als Vater seinen Kindern eben beibringen müsse, dass die Welt manchmal grausam sein kann. Wie zum Beispiel, indem man sein Kind an die Fahrbahnkante stellt und im letzten Moment zurückreißt, anstatt ihm die Regeln kindgerecht zu erklären?

Als nächstes erklärt Millan, er mache Shows wie in Wien, damit sich die Leute nicht die Hilfsmittel, die er in seiner Show einsetzt, anschaffen. Find ich persönlich ein bisserl mit der Kirch‘ ums Kreuz‘: Da fliegt er extra tausende Meilen nach Wien, um uns das zu erzählen, wenn er stattdessen einfach Sendungen produzieren könnte, in denen er sich gegen den Einsatz bestimmter Hilfsmittel ausspricht. Anstatt sie medienwirksam anzuwenden, weil die Klienten „diese Stachelhalsbänder und Stromhalsbänder“ doch ohnehin schon benutzen.

Ein moderner Franz von Assisi?

Entenfellner weist darauf hin, dass nicht jeder seine Shows besuchen wird. Millan nützt die am Silbertablett präsentierte Gelegenheit, seine Bücher als gute Informationsquelle für Unwissende zu bewerben. Es folgt ein Hinweis auf verschiedene Elemente des Tierschutzgesetzes seitens Entenfellner. Der amerikanische TV-Star präsentiert sich daraufhin als Regeln-befolgender Saubermann, der ja nur Wissen unter die Menschen bringen möchte. Warum Millan dann konsequent auf gefährliches Halbwissen zurückgreift und dieses auch noch global verbreitet, erschließt sich mir nicht.

Ein weiteres Schmankerl für mich war folgendes Millan-Zitat: „Ich sage nur, dass man einem Hund selbst mit einer Leine Angst und Schmerzen zufügen kann. […] Um die Technik kümmere ich mich gar nicht, sondern nur um die Energie.“ What to say, where to start… Ich will Millan-Postkarten mit diesem Text drucken. Am Besten mit einem Standbild von ihm und Shadow. Muss ich dem sonst noch was hinzufügen?

Es folgt eine kurze Diskussion um Frühkastration, in deren Rahmen Millan in üblicher Manier Fehlinformationen über Dominanz verbreitet. Abschließend fragt Entenfellner, was genau im September geplant ist. Millan antwortet, dass er bei den Shows „live Hunde aus dem Publikum“ holt. Er würde diese aber nicht trainieren, sondern Informationen verständlich aufbereiten. Ich bin gespannt, ob offizielle Stellen eine solche Anleitung genehmigen. (Interessierte können bei der MA60 oder der Tierschutzombudsstelle nachfragen.)

Eine telefonische  Recherche bei der Wiener Stadthalle ergab, dass dort ein generelles Hundeverbot herrscht. Mir scheint, Millan weiß selbst noch nicht, was bei seiner Show laufen/zugelassen wird.

Ich bin froh, dass die Krone im zweiten Teil des Interviews wesentlich kritischere Fragen gestellt hat. Dennoch wünsche ich mir nach wie vor, österreichische Medien würden diesem Herrn keine weitere Plattform bieten, um hierzulande potenziell tierschutzrelevante Ratschläge zu erteilen. Ein Schelm, wer meint, dass der erste Teil des Interviews vielleicht so freundlich ausfiel, weil Millan 5.500 Euro an Entenfellners Hilfsorganisation spendete, wie die Print-Ausgabe der Krone heute berichtete.

Wer sich mit den in TV-Training transportierten Fehlinformationen und über die Gefahren, die von Sendungen wie „Der Hundeflüsterer“ ausgehen, informieren möchte, dem sei meine Kynologie-Abschlussarbeit wärmstens ans Herz gelegt. Ich verspreche: Sie liest sich nicht annähernd so sperrig wie ihr Titel. Download hier: Klick.

Darüber hinaus verweise ich noch auf folgende Texte: